Erschienen im APS-Katalog der KPH Wien/Krems 2011/12
Haben Sie schon einmal erlebt, dass Sie einen Menschen als harmonisch, in seiner Mitte ruhend, erleben und Sie sich in seiner Anwesenheit besonders wohl fühlen? Oder, dass Sie ein hervorragendes Menü in einem Restaurant genießen oder eine neue Duftmischung schnuppern und anschließend meinen „dass ist eine außergewöhnliche Komposition“?
In unserem Alltag benützen wir mit Selbstverständlichkeit musikalische Begriffe zum Ausdruck von Befindlichkeiten und erleben permanent in Interaktionen das musikalische Grundprinzip der Resonanz (re-sonare=zurücktönen). Musik ist Teil des Lebens! Nur nicht im Schulleben – da ist sie ein einzelnes Fach!
Bitte begleiten Sie mich kurz bei einem Experiment und stellen Sie sich Ihren Alltag ganz ohne Musik vor – Jetzt – —- das wäre sehr eintönig und farblos, oder? Bitte stellen Sie sich Ihren Alltag ohne rhythmische Struktur vor – —— wäre das nicht Chaos? Und jetzt stellen Sie sich bitte Ihren Alltag ohne Ihren persönlichen inneren Rhythmus vor – das wäre schmerzvoll und führt zur seelischen und organischen Disharmonie.
Musik lässt uns lernen fürs Leben – dafür ist aber die Voraussetzung, dass sie entsprechend im Schulalltag eingesetzt wird und nicht nur als Randerscheinung bei Festivitätenwillkommen ist, oder im besten Falle (!) durch gelegentlich Singen eines Liedes. Professionelle Instrumentalisten und Sänger wissen um diese Transfereffekte die uns zur Ganzheitlichkeit, zur Selbstwahrnehmung und damit zur Persönlichkeitsentwicklung (per- sonare=durchtönen) führen, die aber nur durch regelmäßiges aktives Musizieren und nicht durch Lernen über Musik oder Gruppenrasseln mit Geräuschinstrumenten entstehen. Musik ist nicht nur in der menschlichen Natur sondern im ganzen Universum verankert. Alles hat seine Frequenz, nur vieles können wir nicht hören. Sie verbindet sämtliche Disziplinen miteinander: Religion, Mathematik, Physik, Philosophie, Psychologie, Medizin, Bewegung, das Wort in seinem Klang, sie definiert die Zeit, sie füllt den Raum, sie lebt in den vielen Rhythmen der Natur, des Kosmos und des menschlichen Körpers, sie ist die abstrakteste Kunstform und lässt daher frei assoziieren und interpretieren, sie ist ewig variabel und beinhaltet die Farbpalette aller Frequenzen und Emotionen.
Dadurch ist es möglich, in jedem Fach gezielt durch Musik, gleichsam einem Riesen-Mind- Map Assoziationen zu anderen Fachgebieten und übergeordneten Werten (Sinngebung) herzustellen und diese durch musi(kali)sche Rituale und Emotion im Körper zu ankern. Vor allem die Sinngebung, die in letzter Konsequenz stets zur Spiritualität – zum göttlichen Ursprung – führt! Klang und Musik sind seit Anbeginn der Entwicklung der Menschheit Verbindungselemente zur Spiritualität. In diesem Sinne sind auch in jedem Unterrichtsfach die geführte Meditation und die „gefüllte Stille“ musika- lische Elemente. Die „gefüllte“, nämlich sinngebende Stille, die durch ein „in sich Hineinlauschen“ erfüllt wird und den inneren Klang zur höheren Ordnung, zur Harmonie führt. Wir wissen heute aus der Neurobiologie, dass der Gedanke an etwas Bestimmtes die Ausschüttung von entsprechender Biochemie im Gehirn und damit im Körper bewirkt. Gehirnforscher Gerald Hüther beschreibt, dass unser Gehirn über Emotionen lernt und die „Begeisterung für etwas“ (eig.Anm.= Sinngebung, Sehnsucht) den Grad der permanent plastischen Gehirnentwicklung bestimmt, dagegen negative Gefühle wie z.B. Ausgrenzung (eig.Anm.= Verlust des Urvertrauens) das Schmerzareal aktivieren und ein Verlangen nach Ersatzbefriedigung auslösen (im schlimmsten Falle z.B. Alkohol, Drogen).
Längere Wiederholung gleicher Gedanken führen zu neuronalen Vernetzungen, die zu bestimmten Verhaltensmustern mit emotionalen Erfahrungen führen – ein Kreislauf kommt ins rollen. Mit diesen Erkenntnissen, steht heute die Wissenschaft nicht mehr im Widerspruch, sondern bestätigt vielmehr Religion als Grundvoraussetzung für eine plastische Gehirnentwicklung im Sinne von Rück-Bindung an die Quelle (=religio).
Doch was sind eigentlich Gedanken?
Gedanken sind die Musik, der Klang in unserem Kopf und wir haben von Gott den freien Willen geschenkt bekommen über Harmonie oder Disharmonie selbst zu entscheiden, über unseren Urklang den wir als Teil des vernetzten menschlichen und universellen Orchesters – über das Prinzip der Resonanz – zum Nächsten weitergeben. Der Mensch ist göttliche Musik – der Körper sein Instrument – sein Geist die Inspiration – seine Stimme der Ausdruck davon!
(Als Ergänzung zum Fach Musikpädagogik – eine Pädagogik mit Musik, die ein neues Bewusstsein schafft für die Wirkung der Tonkunst im Spannungsfeld zwischen Heilung und Manipulation).